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Der Umgang mit Schuld


Im Leben entschuldigen wir uns regelmäßig. Eine einfache Entschuldigung ist harmlos gegenüber der Schuldsuche während eines Konflikts. Paare streiten und werfen sich unterschiedliche “Wahrheiten” an den Kopf und Beteiligte an einem solchen Streit fühlen sich danach oft “schuldig”.


Das Konzept der “Schuld” ist in der Natur vorgesehen und ist in der menschlichen Erziehung besonders stark ausgeprägt, so stark, dass es die Mehrheit der Menschen daran hindert, ein gesundes Gefühl zu sich selbst zu entwickeln. Hierbei sehe ich vor allem in älteren Generationen oft einen noch größeren internen Konflikt als bei meiner (Generation y) oder jüngeren Generationen. Das führe ich auf strengere moralische Vorbilder, oft über religiöse Inhalte vermittelt, zurück.


Die elterliche Schuldzuweisung erfahren wir in einem so frühen Kindesalter, dass wir uns oft kaum oder gar nicht mehr daran erinnern. Auch der elterliche Umgang mit Konflikten untereinander und mit anderen Teilnehmenden in der Gesellschaft prägt das Kind sehr stark. Oft erleben wir Schuldzuweisungen statt Problemlösungen, die sich so tief in uns manifestieren, dass wir uns keine Mühe geben müssen, dieses Spiel im Umgang mit anderen und mit uns selbst weiter zu pflegen.


Als Erwachsene verfolgt uns die Schuldzuweisung intern durch einen dumpfen Widerhall der erzieherischen Stimmen. Oft können wir die Quelle gar nicht mehr identifizieren, aber wir fühlen uns schlecht, teils miserabel während oder nach einem zwischenmenschlichen Wortgefecht. Manchmal ist das Schuldgefühl von immenser Scham begleitet. Am liebsten würden wir im Erdboden versinken und nicht mehr hinaus kommen. Was kann ein Mensch gegen solch tief empfundene Schuld unternehmen?


Ich bin auf ein einfaches, natürliches zwei-Schritte Modell gekommen, wobei der erste Schritt eine Übung ist, die Jahre in Anspruch nehmen kann, bis man sein Verhalten “korrigiert” hat.


Der erste Schritt ist die Übertragung der selbstempfundenen Schuld und auch derer, die man anderen zugewiesen hat auf ein größeres System. Mensch müsste also in der Lage sein, zu erkennen, was die Situation und die Gedankengänge verursacht hat. Bevor Z geschah, sagten wir y, und davor x. Genauer betrachtet war es dann w, was x auslöste. Und woher kommt unser “w”? Wir müssen also geistige Kraft aufwenden, um das System hinter unserem Handeln und dem Handeln anderer zu verstehen. Darüber übertragen wir die Schuld auf das Externe. Wir kommen schneller aus Gefühlen der Trauer, der Scham und der Inkompetenz heraus. Übrigens hier ein Fun-Fakt: Aberglaube ist ein ganz extremer Versuch, eine solche Schuld zu externalisieren. Dann war es eben die schwarze Katze, die Zahl 13 oder, dass man nun doch unter der Leiter durch ist.


Im zweiten Schritt, der eine Konsequenz des ersten ist und sich nach Monaten oder Jahren fast von selbst einstellt, ist die Abkehr jedweder Bewertung einer Situation. Abgesehen davon, dass wir vermutlich selbst schon gar nicht in solche Situationen geraten, müssen wir auch nicht mehr die Situationen um uns herum “verstehen” und bewerten. Wir nehmen unser Verhalten einschließlich der Konflikte als “gegeben” wahr. Es ist unwichtig, was im System zu welcher Situation führt. An Wichtigkeit gewinnt die innere Stabilität, die natürliche Haltung, die einfach akzeptiert was geschieht.


Diese Worte zum Morgen des 23.07.2021.




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